Ist HoofArmor die eierlegende Wollmilchsau?
Leider nein, denn ich glaube nicht an die Existenz dieser legendären Tierart. Aber HoofArmor hat das Potential, viele Hufprobleme lösen zu helfen, die mit Eisen oder Hufschuhen schwieriger anzugehen sind.
Was HoofArmor kann: | Was HoofArmor nicht kann: | |
es schützt die Sohle vor Abrieb, so dass eine dickere Sohle heranwachsen kann… | … aber es ist wirkungslos, wenn die Sohle alle sechs Wochen aus-geschnitten wird | |
es schützt den Tragrand vor dem Ausbrechen… | … aber es hilft nicht bei zu langen, oder bei zu scharf belassenen Tragrändern, die durch Steine aufgesplittert werden | |
es versiegelt die Blättchenschicht und schützt sie vor Fäulnis (White Line Disease)… | … aber es schützt nicht vor Spannungen im falsch bearbeiteten Huf, die die Blättchenschicht auseinanderzerren und sie für Fäulnis anfällig machen | |
es vernichtet durch darin enthaltene pflanzliche Antiseptika aerobe (sauerstoffliebende) und andere, oberflächliche Bakterien… | … aber wenn Strahlfäule ohne vorherige, gründliche Behandlung einfach überpinselt wird, fault es in der Tiefe weiter | |
es versiegelt die gesunde Strahlfurche und schützt sie vor zu viel Nässe… | … aber nicht ewig, in matschiger Haltung! | |
es schützt den Strahl vor Abrieb und erlaubt, dass er kräftiger wird und Gewicht aufnimmt… | … aber es ersetzt nicht die Kräftigung der inneren Strukturen im hinteren Hufbereich (Strahlpolster und Hufknorpel) durch regelmässige ausgiebige Bewegung und geeignete Bearbeitung (Strahl trägt mit, Trachtenlandung!) | |
durch den Ausschluss von zu viel Feuchtigkeit aus der Umgebung wird das Horn in der feuchten Jahreszeit gehärtet, dadurch ist das Pferd sofort weniger fühlig… | … aber «weniger fühlig» heisst nicht immer, dass das Pferd nach der Umstellung nun schon voll reitbar ist. HoofArmor ist kein Hufschuh, es braucht Zeit, um seine volle Schutzwirkung zu entfalten. | |
es ist einfach anzuwenden… | …aber es funktioniert nicht, wenn Sie es auf schmutzige oder feuchte Hufe schmieren, oder wenn Sie reiten gehen, bevor es ausgehärtet hat! Ein Mindestmass an Sorgfalt bei der Applikation ist auch hier notwendig. |
Was Hoofarmor ausserdem noch kann:
- es hilft Pferden, die auf harten Auslaufböden zu viel Abrieb haben und daher einen permanenten Hufschutz benötigen
- es hilft Pferden, die wegen einer zu dünnen Sohle mit Ledersohlen oder Hufpolstern beschlagen werden müssen
- es bereitet den beschlagenen Huf auf die Umstellung auf barhuf vor. Wenden Sie es schon beim letzten Beschlag an; so hat das Pferd bereits beim Abnehmen der Eisen eine stärkere Sohle und wird weniger fühlig sein. Danach wird durch erneute Anwendung das unvermeidliche Ausbrechen der Tragränder bis zu den Nagellöchern verzögert und vermindert (ein kurzes abrunden der Kanten vor oder nach jedem Reiten wird aber dennoch empfohlen, sobald diese durchs reiten wieder scharf werden - das heisst, dass HoofArmor hier abgerieben oder mit dem Horn weggebrochen ist).
- man kann bei schlecht ausbalancierten Hufen die stark belasteten Bereiche gegen Abrieb schützen und die weniger belasteten Wände ablaufen lassen, sodass sich der schiefe Huf fortwährend selber ausbalanciert. Bitte überlassen Sie diese Anwendung Ihrem Hufbearbeiter, damit nicht gegen den Huf gearbeitet wird!
- es ist eine Möglichkeit für Zwergponies und Shires, für die es keine Hufschuhe von der Stange gibt, barhuf zu laufen - sogar vor der Kutsche.
- es kann bei Trabern angewendet werden, die so von der guten Traktion (Bodenhaftung) der Barhufe profitieren können, aber nicht die Nachteile der Eisens in Kauf nehmen müssen: Streifen, Einhauen, Eisen abtreten, sowie die Kräfte, die den Bewegungsablauf zu Ungunsten der Schnelligkeit verändern (Gewichte an den Hufen machen die Tritte höher, aber kürzer. Eine hypothetische Rechnung: bei 500 Trabtritten auf 1000m Distanz machen 2cm je Tritt im Ziel 10m aus!).
- auf Wanderritten sind bei Problemen mit den Hufschuhen (Druckstellen, Defekte) durchaus Tage möglich, an denen barhuf geritten werden kann. Bei sorgfältiger Vorbereitung sind auch mehrere hundert km ohne weiteren Hufschutz möglich (Beispiel: das Great Santa Fe Trail Race, das über 800km in 10 Tagen geht, oder The Long Ride North, ein Wanderritt über 600km in Nordschweden).
- es hilft Pferden mit Rehhufen, die wegen der gezerrten weissen Linie immer wieder unter Hufabszessen leiden, indem es die Lamellenschicht versiegelt und sauber und trocken hält.
- es schützt das weiche Narbenhorn der Zehe, wenn es bei der Korrektur von Rehhufen freigelegt wird.
- es schützt die Lederhaut nach Abtragung der Hornwand wegen White Line Disease (Infektion), sowie nach Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen
- es hilft bei der Strahlfäulebehandlung, indem es die Strahlfurche vor erneutem Einwirken von Mist und Feuchtigkeit schützt. Hier wird es zwar nicht lange verbleiben; aber sobald die Strahlfurche nach einigen Tagen jeweils wieder weich wird, kann sie wieder gründlich herausgeputzt, desinfiziert (!), ausgetrocknet und neu „versiegelt“ werden. Natürlich erwischt man so längst nicht alle anaeroben Bakterien in der Tiefe. Aber wenige Bakterien in nicht idealem, trockenem Brutklima richten wesentlich weniger Schaden an, als viele Bakterien in feuchtem Klima. So wird das befallene Gewebe immer weiter an die Oberfläche kommen, und in der Tiefe kann gesundes Horn nachwachsen.
- HoofArmor wird vom Hersteller als unschädlich und gut verträglich, wenn es auf die Haut kommt, beschrieben (die Inhaltstoffe sind für die Anwendung für Lebensmittelverpackungen zugelassen bzw. sind im abgebundenen Zustand vollständig reaktionslos). Dennoch wird die Verarbeitung von Epoxy-Harzen aufgrund der Erfahrungen bei Arbeitern der Produktion als nicht völlig ungiftig beschrieben. Vor allem wird vor direktem Hautkontakt gewarnt; die Substanzklasse kann allergen wirken. Bitte beachten Sie die üblichen Vorsichtsmassnahmen beim Umgang mit jeder Chemikalie:
- direkten Hautkontakt vermeiden
- geeignete Handschuhe tragen: PVC oder Latex reicht nicht aus; Sie benötigen relativ dicke Nitril- oder Butyl Handschuhe, wie sie dem Produkt beigefügt sind, damit die Lösungsmittel den Handschuh nicht durchdringen können. Diese können mehrmals verwendet werden.
- nicht einnehmen, allfälige Dämpfe nicht einatmen, im Freien arbeiten, bei Einnahme oder Augenkontakt sofort gründlich ausspülen und den Arzt aufsuchen. Bei der Verarbeitung nicht essen und nicht trinken.
- nicht in die Hände von Kindern gelangen lassen.
Was kann man erwarten?
Der Hersteller von HoofArmor, David Jones, hat ein ehrgeiziges Ziel: Pferde sollen nach regelmässiger Behandlung mit HoofArmor und entsprechender Hufbearbeitung so weit kommen, dass sie ganzjährig ohne Hufschuhe geritten werden können!
Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen: nicht mit Hufschuhen, sondern wirklich barhuf! Und, nebenbei, nach einiger Zeit auch ohne HoofArmor.
Gehen wir von einem unterentwickelten Huf aus, was heute ja leider das normale ist. Fohlen wachsen auf kleinen Weiden mit weichen Böden auf, die Jungpferde werden (zu) früh beschlagen, und leben ihr Erwachsenenleben weiterhin mit viel zu wenig Bewegung und zu wenig Anforderungen an die Hufe. Das Strahlpolster bleibt weitgehend so, wie es beim neugeborenen Fohlen war: eine schwammige, fettige Masse, anstatt sich zu zähem Faserknorpel zu entwickeln. Die Hufknorpel bleiben dünn, die Ballen sind ebenso schwach wie der Strahl, oft entwickelt sich entweder ein Zwanghuf, oder ein Flachhuf mit untergeschobenen Trachten, oder die Wände driften von der Lederhaut weg. Das Horn ist zu weich, der Hufmechanismus ist eingeschränkt, und der ganze Huf ist nur teilweise so gut durchblutet, wie er sein sollte. Das ganze Gewicht des Pferdes lastet an den Hornwänden, und das Hufbein hängt zu tief in der Hufkapsel.
Lebende Strukturen passen sich an die Belastung an. Wird durch gute Barhuf-Bearbeitung die Last zu einem grossen Teil von der Peripherie (Hufwand) auf Sohle und Strahl umgelagert, wird sich der Huf auch bei erwachsenen Pferden noch an die neue Situation anpassen. Diese Umlagerung der Kräfte kann am Anfang schmerzhaft sein; in diesem Fall darf das Pferd nicht auch noch geritten werden, egal ob mit Hufschuhen oder ohne. Ein Schweizer Tierarzt, der eine Hufklinik betrieb, berichtete, dass er einen Bereich hatte, wo Gummigranulat eingestreut war, und daneben einen betonierten Bereich. Es dauerte im Schnitt (je nach Ausgangssituation der Hufe) um die 6-8 Wochen, bis sich die neu auf barhuf umgestellten Pferde freiwillig auf dem Hartboden bewegten. Das waren zwar alles Patienten; aber rechnen Sie bitte auch bei Ihrem Pferd mit dieser Zeit, bevor Sie es wieder reiten. Wenn es kürzer dauert, umso besser!
Wenn die Sohle dick genug geworden ist, dass das Pferd auch beim Spazieren auf steinigen Wegen weitgehend schmerzfrei ist, können die zur Umstellung erforderlichen km-Leistungen erbracht werden, die allein eine massive Kräftigung der inneren Strukturen bewirken. Viele Kilometer mit Hufschuhen sind gut und recht, aber auch Hufschuhe verändern die Gangmechanik, und sie lassen keine Belastung (--> Stärkung) der Sohle im weichen Boden zu.
Ich kann Ihnen leider nicht versprechen, dass Ihr Pferd dieses vom Entwickler von HoofArmor, David Jones, angestrebte Ziel mit HoofArmor erreichen wird. Denn es spielen noch so viele andere Faktoren bei der Hufgesundheit mit:
- die Fütterung: wenig Kohlenhydrate, sei es als Kraftfutter oder als (zu) gehaltvolles Gras;
- richtige, auf die individuelle Grundfütterung abgestimmte Mineralstoffversorgung;
- die Böden, auf denen das Pferd lebt; weiche und harte Abschnitte, Kies, nicht zu trocken und nicht zu nass
- die Nutzung: unterschiedliche Böden, Intensität; Stress (Magengeschwüre!)
- der aktuelle Zustand der Hufe
- und eben: die Art der Hufbearbeitung, deren Intervalle, die tägliche Hufpflege, und die Bewegung.
Aber ich kann Ihnen versprechen, dass Ihr Pferd durch HoofArmor nach einiger Zeit deutlich besser mit Abrieb und Steinen wird umgehen können. Wenn Sie trotzdem noch Hufschuhe benötigen, so wird die Auswahl viel grösser sein, weil die Dämpfung der Sohle kein Kriterium mehr sein wird, das Sie berücksichtigen müssen.
“The «fix» is miles and miles of straight-line movement.”
“Die Lösung heisst: Meilen und Meilen geradeaus-Bewegung.“ (Pete Ramey)
(Autor: Regula Bucher)